Französischer Diplomat angepöbelt

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Scharfe offiziöse Zurückweisung der Nazipresse.

Berliner Zeitung, Datum unbekannt.

WLB teilt mit:

Der "Angriff" vom 20. d. M. Nr. 58 enthält schwere Verdächtigungen gegen den Presseattaché der hiesigen französischen Botschaft, für die nicht der geringste Beweis angetreten wird. In diesem Artikel wird dann gesagt, "daß der Betreffende von allen Beschlüßen des Auswärtigen Amts, sowie sie Frankreich betreffen, vorher in Kenntnis gesetzt wird, um seine Meinung zu hören."

Diese Behauptung ist eine ebenso kindische wie gewissenlose Verleumdung. Wenn der "Angriff" sich endlich darüber beschwert, daß den Gennanten amtliche Persönlichkeiten empfangen, so wird hiermit festgestellt, daß die betreffenden Beamten dabei lediglich ihre dienstliche Pflicht erfüllen.

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Goebbels-Organ ist zu diesen verleumderischen Vorstoß gegen den Professor Hesnard von der französischen Botschaft in Berlin offenbar dadurch ermutigt worden, daß die amtlichen Stellen gegenüber zwei ähnlichen Attacken des "Völkischen Beobachters" geschwiegen haben. Die öffiziöse Zurückweisung ist von einer erfreulichen Deutlichkeit, besser wäre es freilich gewesen, wenn sich die amtlichen Stellen früher dazu entschlossen hätten.

Dass die Blätter Hitlers und Goebbels bei dieser Gelegenheit obendrein die Lüge verbreiten, Professor Hesnard werde dauernd von Linkspolitikern, namentlich von Sozialdemokraten über vertrautliche Angelegenheiten der Reichspolitik in landesverräterischer Weise informiert, gehört zum übrigen.

Jedes Wort der Entgegnung wäre zu viel Ehre für die nationalsozialistischen Verleumder. Daß deutsche Linkspolitiker gute Beziehungen zum französischen Presseattaché unterhalten, ist eine Selbsverständlichkeit, zumal dieser dasVertrauen der französischen Linkspolitiker genießt. Dagegen ist Hesnard wiederholt in den letzten Jahren in französischen nationalistischen Zeitungen und Zeitschriften scharf angegriffen worden, die ihm zum Vorwurf machten, daß er als Mann der Linken Briand fortgesetzt falsch informiere und in seiner "verhängnisvollen" Verständigungspolitik bestärke.

Richtig ist, daß Hesnard das persönliche Vertrauen Briands genießt und daß er insbesondere der Mittelsmann zwischen Briand und Stresemann war. Es gehört die abgrundtiefe Perversität und Verleumdungssucht der Nationalsozialisten dazu, aus einem sich vor aller Welt abspielenden Verkehr zwischen deutschen Politikern und einem fremden Diplomaten sofort landesverräterische Absichten oder Wirkungen zu konstruieren.

Darüber hinaus sei aber folgendes festgestellt: es ist ein internationaler Grundsatz anständiger Journalistik Mitglieder fremder diplomatischer Missionen im eigenen Land aus der Tagespolemik herauszulassen. Selbst Organe wie die Pariser "Action Française", die vor keiner Beschimpfung politische Gegner zurückschrecken, und ebenfalls überall "Landesverrat" wittern, halten sich an dieses selbstverständliche Prinzip: nie ist dort seit zehn Jahren auch nur eine Silbe gegen ein Mitglied der deutschen Botschaft in Paris geschrieben worden. Es bleibt der Nazipresse vorbehalten, mit diesem Grundsatz aller Kulturländer zu brechen. Sie hat damit nur dokumentiert, daß sie jenseits aller Begriffe von politischem Anstand und Ernst steht.

 

Zeitungsname und Datum leider nicht ersichtlich.

 

 

Version : 09.12.2004 - Contents : Marzina Bernez-Hesnard

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