Bericht über Bayern

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      München 30. Juni 1919
Auf meine eingehenden Informationen bei den Kreisen der "bayerischen Volkspartei" erhielt ich folgende Auskünfte:
  1). Bayerns Stellung zum Reichsverfassungsentwurf
  "Wir werden uns zwar mit Händen und Füssen gegen die neue Reichsverfassung wehren und alles versuchen, so viel von unserer Selbständigkeit zu bewahren, als nur möglich ist. Da unsere Selbständigkeit aber praktisch schon verloren, die hauptsächlichsten Reservatreaktion aufgegeben sind, so kann man sich keinen Erfolg versprechen. Die Idee des einheitlichen Grossdeutschland ist heute grösser als man denkt, und sie wird jeden Partikularismus besiegen"
  2). Die Gefahr bei Separatismus
  "Durch die Unterzeichnung des Friedens ist die Gefahr einer Zerstreuung vom Reich so ziemlich verschwommen. Wäre der Frieden nicht unterzeichnet worden, so hätte man mit einem selbständigen Vorgehen Bayerns mit Bestimmtheit rechnen müssen. Eine Orientierung nach Österreich ist heute gänzlichst ausgeschlossen, weil es die wirtschaftliche Ruin wäre.
  Wenn Bayern jetzt seine Selbständigkeit unter dem Zwang der allgemeinen Not, durch den verlorenen Krieg hervorgerufen, verliert, so ist eine Trennung vom Reiche für spätere Zeit als Reaktion durchaus nicht ausgeschlossen, sondern wahrscheinlich zu erwarten."
  3). "Die päpstliche Nuntiatur
  ist vorläufig noch in München und dürfte auch in München bleiben, wenn auch in Berlin für das Reich eine eigene errichtet wird."
  4). Trennung von Kirche und Staat
  "Man wird - dank des grossen Einflusses der Volkspartei - eine Auseinandersetzung machen, die sich äusserlich "Trennung" nennen mag, innerlich und praktisch aber die alten Zustände aufrecht hält."
  5). Bamberger Eindrücke
    a) Die Hoffmann Regierung gibt sich viel Mühe, erreicht aber nirgends günstige Resultate; sie hat daher so ziemlich aller Vertrauen verloren.
    b). Eine Umgruppierung des Ministeriums ist wohl schon in nächster Zeit zu erwarten, wobei die Bürgerlichen noch mehr Einfluß gewinnen dürften.
    c). Wirtschaftspolitisch hat man bedeutende Erfolge erzielt:
      beinahe alle Arbeitslosen werden beschäftigt, ihre Zahl ist seit april von 40000 auf 18000 gesunken. Die Wohnungsverhältnisse sind dank ministerieller Massnahmen auch gut. Aus diesen Gründen gibt es in Bayern beinahe gar keine Streiks.

 

 

Version : 09.12.2004 - Contents : Marzina Bernez-Hesnard

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