Poncet führend

in den deutsch-französischen
Verhandlungen

Neue Berliner Zeitung 12 Uhr Blatt, 3. September

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Am 26. und 27. September wird der französische Ministerpräsident Laval, begleitet vom Außenminister Briand, in Berlin. Den Verhandlungen wird, nach den bisherigen Absichten, auch der neue Gesandte in Berlin, François Poncet, beiwohnen.
Es ist allerdings möglich, daß diese Absicht noch in letzter Sekunde geändert wird. Es hat sich nämlich zwischen Briand und Ponceteine gewiße Rivalität herausgebildet. Poncet ist ein außerordentlich aktiver Politiker, der mit großer Energie die ihm unbedingt notwendig erscheinende Lösung der Aufgabe der deutsch-französischen Verständigung in angriff genomment hat. Alledings wählt Poncet dabei einen wesentlich anderen Weg als Briand, indem er den Nachdruck zunächst auf die Wirtschaftsfragen legt und versucht, die politische Fragen vorerst eine Zeit lang in den Hintergrund zu drängen.
Briand hingegen besteht noch immer auf der Bereinigung der politischen Differenzen. Seine Stellung im Kabinett Laval ist jedoch nicht mehr ausschlaggebend, und die Pariser Auffassungen bestätigen die von uns bereits zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß die Aktivität Poncets und das Ansehen, das dabei Laval genießt, dazu führen werden,
  daß das Schwergewicht der deutsch-französischen Verhandlungen für die nächsten Tagen nach Berlin verlegt werden wird.
Poncet hat übrigens im Anfang der Woche den Pressechef der französischen Botschaft in Berlin, Professor Hesnard, der als einer der bestunterrichteten französischen Beamten in bezug auf die deutsch-französischen Verhandlungen gelten kann, nach Genf berufen.
Aus Paris werden nunmehr auch unserer Mitteilungen über die Vorbesprechungen über einen politischen Waffenstillstand bestätigt. In den vielfachen Gesprächen zwischen Curtius und Poncet ist diese Frage bereits mehrfach eingehend erörtert worden, und es scheint, als ob auch hierin eine Annäherung der deutschen und französischen Ansichten erfolgt.

Jedenfalls kann heute als feststehend gelten, daß neben den von Poncet vorgeschlagenen wirtschaftlichen Vereinbarungen diese Frage des politischen Waffenstillstandes die Hauptrolle beim französischen Ministerbesuch in Berlin spielen wird.

Die Zollunionsfrage hat in den letzten Stunden noch einiges Kopfzerbrechen verursacht. Man konnt sich nicht recht über die Formel einigen, mit der Curtius und Schober heute auf die Zollunion verzichten werden. Erst die späten Abendstunden brachten gestern eine Einigung in der Form einer echt diplomatischen Verklausulierung des Verzichts. Damit ist die Zollunionsfrage vorläufig erledigt.

 

 

Version : 09.12.2004 - Contents : Marzina Bernez-Hesnard

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